Bücher sind komplexe Lagerware
Einer nicht alltäglichen Aufgabe stellt sich die RALOG AG. Für mehrere Bibliotheken soll ein automatisiertes Aussenlager geschaffen werden. Dazu mussten industriell «unübliche» Kriterien beachtet werden.
Ein gemeinsames Aussenlager ist für mehrere Bibliotheken günstiger als für einzelne. Das Zusammenlegen von Beständen schafft Platz in den Partnerbibliotheken. Dank innovativer Technik wird ein konservatorisch sicheres, brandgeschütztes Aufbewahren der Bestände mit weitgehend automatisierter Einlagerung/Auslieferung ermöglicht.
Das Konzept
Die Speicherbibliothek mit Standort in Büron wird als zweckmässiger Industriebau unter Beachtung von Minergie-P- und Minergie-ECO-Vorgaben erstellt. Ein äusserst moderates Verkehrsaufkommen mit etwa fünf täglichen Hin- und Rückfahrten durch Bibliothekskuriere wird vorausgesetzt. Als Lagersystem wählten die Auftraggeber ein automatisiertes Behälterlager mit Regalbediengeräten, doppeltiefe Lagerung.
Eine Aktiengesellschaft stellt den Finanzbedarf von rund 29 Mio. für den Bau durch Darlehen beteiligter Kantone und privater Investoren zur Verfügung. Der operative Betrieb wird durch einen Verein geführt, dem alle Projektpartner angehören. Dieser verrechnet bezogene Dienstleistungen für Einlagerung, Ausleihen und andere bibliothekarische Dienstleistungen kostendeckend den beteiligten Institutionen.
Warum eine kooperative Speicherbibliothek?
Aus logistischer Sicht: Die Zentralisierung der heutigen dezentralen Struktur ermöglicht ein volumen- und zeitoptimiertes Transport- und Versandkonzept. Das Modulkonzept ermöglicht eine bedarfsgerechte Erweiterung ohne jegliche Störung der bestehenden Infrastruktur. Dabei spielt die Freihaltung von Staub- und Schmutzeinwirkungen und die Aufrechterhaltung des Brandschutzes eine wichtige Rolle.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht: Die ausserhalb städtischer Gebiete angesiedelte Speicherbibliothek ermöglicht die Langzeitarchivierung von dedoublierten Beständen mit den damit verbundenen Dienstleistungen zu wesentlich günstigeren Betriebskosten als in dezentralen, in Stadtgebieten angesiedelten Räumlichkeiten mit begrenzten Ausbaumöglichkeiten. Die heute genutzten Bauvolumen können teilweise «höherwertigen» Funktionen zugänglich gemacht werden.
Die hohen Anforderungen der konservatorisch sicheren, brandgeschützten Aufbewahrung werden an einem Standort erfüllt und reduzieren gegenüber dezentralen Strukturen Investitions- und Betriebskosten (namentlich Energie-, Personal- und Transportkosten) erheblich. Und dies bei gleichzeitiger Verbesserung des Kundenservices.
Gewählte Technik – und warum
Die Speicherbibliothek ist ein Hochregallager mit teilautomatisierter Lagerbewirtschaftung:
• automatisiertes Behälterlager mit Regalbediengeräten
• doppeltiefe Lagerung
• 34 Ebenen, 6 Gassen
• 2 Behälterhöhen, 110 000 Behälter in Etappe 1
• manuelle Einlager- und Kommissionierplätze ausserhalb Lager, unterstützt mit Pick-to-Light
• Flächenbedarf Gebäude 30 x 70 m bei 17 m Bauhöhe
Das personenfreie Lagerkonzept ermöglicht, die für Druckwerke notwendigen konservatorischen Aufbewahrungsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftqualität) sehr gut und ökonomisch zu realisieren. Der Lagerbereich ist inertisiert (das heisst der Sauerstoffgehalt wird zur Brandverhinderung reduziert). Die Flächen- und Volumennutzung ist optimal, bei gleichzeitiger «Umlüftung» der Behälter und des wertvollen Lagerguts. Der «saubere» Lagerbereich kann mit diesem Konzept abgetrennt werden vom «schmutzigen» Bereich mit Anlieferung, Entstaubung, Verpackung, Versand.
Auf den ersten Blick scheint es vermessen, eine Langzeitarchivierung mit kleinem Umschlag im Normalbetrieb in diesem Masse zu automatisieren. In der Phase der Erstbestückung ist eine hohe Systemleistung erforderlich, auch bei einer Erweiterung. Trotz der definierten hohen Systemleistung dauert die Ersteinlagerung immerhin noch rund 15 Monate ...
Die eingesetzten Behälter müssen aus ausdünstungsfreien Kunststoffen bestehen und in der Langzeitlagerung auf das hohe Gewicht von 60 kg/Behälter ausgelegt sein. Zusätzliche Lagerbereiche sind realisierbar, auch mit anderen klimatischen Anforderungen, zum Beispiel für Bild- und Tonträger.
Zugriffsoptimierung, Prozesssicherheit
Damit die Erkennung der Items beim Auslagern verbessert und der Prozess beschleunigt werden kann, wird der Ansatz mit einer Unterteilung des Behälters in virtuelle Bereiche realisiert. Bei der Einlagerung wird der Bereich der Items im Behälter systemtechnisch festgehalten. Die Erfassung erfolgt über den Scanner.
Bei der Auslagerung und Wiedereinlagerung wird dem Mitarbeitenden der Bereich über einen Monitor oder mit Beleuchtung des Behälterbereiches angezeigt. Der Suchaufwand soll so massiv verringert werden. Die Identifikation der Items erfolgt per Barcode. Wo vorhanden, wird RFID verwendet, jedoch ist eine Mehrfacherfassung weiterhin zu wenig zuverlässig und damit kann kein relevanter Zusatznutzen zum Barcode in der Speicherbibliothek erzeugt werden. Trotzdem wird der gesamte, für die Speicherbibliothek vorgesehene Bestand mit RFID-Etiketten ausgestattet und ist damit fit für die Zukunft. Die IT der Speicherbibliothek wird an unterschiedliche Bibliothekssysteme angebunden.
Dienstleistungen der Speicherbibliothek
Vor der Einlagerung erfolgt eine Entstaubung und visuelle Kontrolle der Bücher. Die Auszeichnung (eindeutiger Barcode) und der vorgängig übermittelte Exemplar-Datensatz werden überprüft. Die Lagerung erfolgt volumenoptimiert in Behältern. Dabei kommt dem schonenden Umgang der eingelagerten Items durch entsprechend ausgelegte Lager- und Fördertechnik (Behälter auf Langfristlagerung ausgelegt, Sanftanlauf/-abbremsen der Antriebe) hohe Aufmerksamkeit zuteil.
Wer ist die kooperative Speicherbibliothek
Die kooperative Speicherbibliothek mit Standort in Büron/LU ist eine von den Teilnehmenden resp. ihren Trägerschaften gemeinsam getragene Einrichtung zur konservatorisch und ökonomisch vorteilhaften Lagerung von Beständen, zur effizienten Lieferung von Dokumenten in originaler, kopierter oder digitalisierter Form und schliesslich zur Entwicklung weiterer Dienstleistungen für die Gemeinschaft der teilnehmenden Einrichtungen. Ende 2015 steht ein automatisches Behälterlager für rund 3,1 Mio. Bände bereit und kann modular auf bis zu 14 Mio. Bände ausgebaut werden.